RadTech Europe, Nahrungsmittelsicherheit, Verpackungsdruck, Strahlenhärtung

UV/EB-Härtung – Stand heute und Ausblicke aus Sicht von RadTech Europe

Lebensmittelsicherer Verpackungsdruck ist eines der zentralen Themen der Lebensmittelindustrie, von Einzelhändlern aber auch der Verpackungsmittelhersteller und weiterverarbeitenden Betrieben. Onpack Branding und Produktkennzeichnung sind komplexe Bereiche, basierend auf einer umfassenden, regulatorischen Basis, mit einer Vielzahl an Substraten, Drucktechnologien sowie Farben und Lacken. Deren Unversehrtheit muss bei jedem Produktionsschritt gewährleistet sein – um sicherzustellen, dass der Verbraucher das Produkte unbeschwert geniessen kann. – Ann Hirst-Smith

 

Seit vielen Jahren engagiert sich RadTech Europe (Verband für UV-, EB- Strahlenhärtung und Laser) im Bereich nahrungsmittelsicherer Verpackungsdruck. Thema des 9. RadTech Europe Seminars war der aktuelle und künftige Einsatz von UV- und EB-Härtung im Verpackungsdruck. Mehr als 70 Teilnehmer – Markeninhaber und Vertreter der gesamten Verpackungsindustrie – trafen sich am 14. Oktober 2016 in Frankfurt a.M. zu dieser stark themenfokussierten Veranstaltung.

RadTech Generalsekretär Mark Macaré begrüsste die Teilnehmer zu einem Tag voller Vorträge und Networking.

Charles Bourrouse ( Sartomer/Arkema Gruppe – Anbieter von Spezialacrylaten und Methacrylaten) bot einen Überblick über die angewandte Chemie in Druck- und Verpackungsmaterialien sowie der Entwicklungen bei migrationsarmen Druckfarben. Der Marktanteil der heutigen Strahlungshärtungssysteme sei noch immer sehr gering – wenn auch gesunkene Lampenpreise im analogen Flexo- wie auch im Offsetdruck einen gewissen Auftrieb verschafften. Bourrouse veranschaulichte jedoch, dass es nach wie vor genügend Herausforderungen gibt, um die vollständige Beseitigung von Migration zu gewährleisten, und er gab Ausblicke auf kommende Schritte und Entwicklungsmöglichkeiten.

Lebensmittelverpackung und ihre Marktdaten

Dominic Cakebread (SmithersPira) widmete sich der Anwendung von Strahlenhärtung in der Lebensmittelverpackung. Lebensmittel- und Getränkeverpackungen stellen zwei Drittel des Konsumverpackungsmarktes dar mit anhaltend steigenden, globalen Wachstumszahlen. Er zeigte die aktuellen Megatrends, die die heutige Verpackungswelt antreiben. Grosse Bedeutung haben geringere Verpackungsgewichte. Dies betrifft fast alle Verpackungsmaterialien. Ebenso die Änderung der Verpackungsgrössen besonders bei flexiblen Materialien. Eine 2016 von SmithersPira durchgeführte Umfrage zeigt, dass 96% aller Markeninhaber das Thema Nachhaltigkeit als sehr wichtig einstufen. Cakebread informierte über den Einsatz der Strahlungshärtung je nach Druckverfahren und prognostizierte einen Gesamtmarktanteil von 4,1% bis 2019, wobei Kartonagen  und Etiketten die grössten Märkte abbilden. Er hob die Vorteile der UV/EB-Härtung hervor: Sofortige Farbhärtung mit nur minimalem Punktzuwachs; hochglänzendes, lebendiges Druckbild; die Fähigkeit, gehärtete Farbe auf spezielle chemische Anforderungen oder Abriebbeständigkeit anzupassen. Dazu kommen die ökologischen Vorteile – keine VOCs (flüchtige organische Verbindungen) oder Lösemittel.

Nestlé: Sichtweise eines führenden Markeninhabers

Dr. Amaury Patin vom schweizerischen Forschungszentrum von Nestlé gab Einblicke zum Thema Sicherheit in der Verpackungsindustrie aus Sicht des Lebensmittelkonzerns. Jährlich werden EUR 7 Mrd. für 64.000 unterschiedliche Verpackungen ausgegeben. Die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse und Qualitätskontrolle – sowohl quantitativ (z.B. Migration) als auch qualitativ (Einhaltung etablierter Standards und Vorschriften) ist von absoluter Bedeutung. Aktuell arbeiten Dr. Patin und sein Team an einem völlig neuen Ansatz für diese Testverfahren. Er erläuterte die komplexen Inhaltsstoffe von Verpackungen, Migration von Druckfarben – sowohl direkt über das Substrat als auch durch Farb- oder Lackabrieb der bedruckten auf die unbedruckte Oberfläche (Lebensmittelkontakt).

Nestlé ist bekannt für seine umfassenden Verbraucherschutzmassnahmen. In Bezug auf Druckfarben werden die Standards der schweizerischen Verordnung eingehalten – derzeit die umfassendste Gesetzgebung – und darüber hinaus die eigenen Richtlinien für den Verpackungsdruck. Er verdeutlichte den Seminarteilnehmern die Bedeutung, dass »alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten vollständige Kenntnis über die von ihnen gelieferten Produkte haben« und legte den Lieferanten die Denkweise eines Nahrungsmittelhersteller nahe.

Diskussion

In der folgenden Podiumsdiskussion mit Dirk Exner (Phoseon Technology), Michael Fischer (Fischer Solutions), Imran Rangwalla (ESI Energy Sciences [Europe]) und Dawn Skinner (Heraeus Noblelight) ging es um die wichtigsten Entwicklungen zum Thema Strahlenhärtungslösungen im Verpackungsdruck für Lebensmittel. Moderator Paul Kelly (Perstorp) fasste die Vision der Referenten zur Bildung eines Recyclingkreislaufs zusammen: Rohstoffe, der Faktor Mensch, Kooperation und Kosten.

Anforderungen: Gesetzeslage und Konformität

Nach dem Mittagessen fasste Rachida Semail (Keller & Heckman, Rechtsanwälte spezialisiert auf Lebensmittelrecht), die Anforderungen in den deutschen und schweizerischen Verordnungen zusammen, erläuterte die Unterschiede in Bezug auf Druckfarben sowie  die Implikationen und fortlaufende Komplexität der Umsetzung und Compliance. Sie beleuchtete auch weitere, potenziell relevante rechtliche Initiativen wie den Entwurf der EU-BPA-Verordnung.

Es begann eine Podiumsdiskussion mit Perrine Cahen (Allnex), Nick Ivory (Sun Chemical und EuPIA), Rachida Semail (Keller & Heckman) und Amaury Patin (Nestlé) – gemeinsam mit den  Seminarteilnehmern. Zweifellos steht die Zuliefererindustrie zu ihrer Verantwortung.  Druckfarbengesetze sind wichtig, vor allem in Bezug auf den Verbraucherschutz. Leider handelt es sich bei der heutigen Gesetzgebung um ein Labyrinth – ein vollständig übergreifender, internationaler Standard ist nicht in Sicht.

Farben und Lacke

Der Europäische Druckfarben Verband EuPIA ist ein langjähriger Förderer der Anwendung von Druckfarben im Herstellungsprozess und aktiv bei der Umsetzung des korrekten Einsatzes bei Verwendung auf Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Nick Ivory (CEO von EuPIA und Technischer Leiter bei Sun Chemicals), informierte über den positiven Beitrag des Verbandes zur Debatte. Das aktuellste, sehr detaillierte GMP (Good Manufacturing Practice) –Leitdokument von EuPIA, das im März speziell von und für die Druckfarbenindustrie veröffentlicht wurde, zielt auf die Herstellung von Farben, Lacken und Beschichtungen für Lebensmittelkontaktmaterialien ab. Das Dokument ist laut Ivory »ein Wegweiser für den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung« und sieht regelmässige Audits durch Markeninhaber und Verpackungshersteller vor, die auf allen Ebenen ein hohes Mass an Transparenz gewährleisten. Von allen EuPIA-Mitgliedern wird erwartet, dass sie den Leitfaden annehmen. Zusätzlich können die allgemeineren, vom International Food Standard akkreditierten Standards wie BRC IOP oder ISO22002-4 eingehalten werden.

Migrationsarme Inkjet-Druckfarben

Dr. Marc Graindourze (Entwicklungsleiter Industrielle Inkjet-Tinten, Agfa Graphics) vertiefte das Thema der Migrationsarmen Inkjet Technologie bei indirekten Druckanwendungen auf Lebensmittelverpackungen. Hierbei handelt es sich um eine »Kombination und Steuerung aller Bereiche der Drucklösung« – Substrat, UV-Inkjet-Tinte mit geringer Migration, die Druck- und Weiterverarbeitungsumgebungen und die Lagerungs- und Verarbeitungsbedingungen für Lebensmittel. »Jede Anwendung hat ihre eigenen spezifischen Risiken«, betonte er, beispielsweise Druck auf Aluminium-Blisterpackungen, Selbstklebe- und Sleeve-Etiketten sowie Direktdruck. Dr. Graindourze erforschte die chemischen Eigenschaften bei der Herstellung von niedrigviskosen, UV-härtenden Druckfarben mit geringer Migration. Insbesondere bei Inkjet- und Flexodruck ist dies ein Schlüsselelement für den Erfolg. Agfa Graphics arbeitet derzeit an einer konzeptionellen, migrationsarmen, niedrigviskosen Inkjet-Tinten.

Optimierung des Druckprozesses

Die Verbesserung der sicheren Verwendung von UV-gehärteten Druckfarben bei Lebensmittelverpackungen, insbesondere beim UV-Flexodruck, war das Schlussthema der Konferenz. Werner Veit (F&E Constantia Teich) untersuchte die Vorteile und auch die Grenzen vom UV-Flexodruck und zeigte die Vielfalt der möglichen Verpackungs-substrate, von lackiertem Aluminium für Molkerei-, Pharma- und Tiermittel-Anwendungen bis hin zu PET- und PET/Papier /PET-Deckel-Laminaten, Papier/Aluminium/PET für Suppenbeutel und unbedruckten Papierbanderolen. Gemäss Zusammenfassung der lebensmittelrechtlichen Anforderungen und der notwendigen Konformitätserklärungen entlang der Lieferkette verfolgte Werner Veit die Optimierung des UV-Flexo-Verfahrens, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Seine sehr detaillierte Arbeit umfasste ein »worst case« Szenario sowie eine Druckmaschinen-Test- und Wartungsroutine, um Prozesssicherheit und Compliance bei der Produktion von Lebensmittelverpackungen zu gewährleisten. Seine Schlussfolgerung: »Die richtige Farbauswahl, Prozesskenntnisse, die richtige Maschinenkonfiguration und die Kontrolle der Parameter garantieren die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Anforderungen und den sicheren Einsatz von UV-härtenden Farben und Lacken auf Lebensmittel Verpackungen«.

Zulieferindustrie in der Verantwortung

Zum Abschluß des Seminars lud RadTech Generalsekretär Mark Macaré die Teilnehmer zum gemeinsamen Austausch ein. »Eine sehr positive und inhaltlich ermutigende Veranstaltung auf diesem wichtigen Markt für Strahlungshärtung. Die gesamte Zulieferindustrie steht zu ihrer Verantwortung zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit des Endverbrauchers« – so seine Schlussworte.

Die dreitägige RadTech Europe Tagung und Ausstellung findet vom 17.–19. Oktober 2017 in Prag/CZ statt. Sämtliche Bereiche der Strahlungshärtung und ihre vielfältigen Einsatzbereiche werden dort thematisiert. (Fotos: RadTech Europe)

www.radtech-europe.com

 

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