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Neuer Umgang und mehr Wertschätzung für Materialien, gelebte Verantwortung im Spannungsfeld von Kosten und Effizienz, neue Wirklichkeit bei Konsumenten, ein Ende des »Weiter so« und die Folgen disruptiver Entwicklungen durch Umweltprobleme und Digitalisierung: Auf dem 14. Deutschen Verpackungskongress am 21. März 2019 in Berlin trafen sich über 200 Führungskräfte der Verpackungswirtschaft und analysierten Situationen, Strategien und Lösungen rund um das Thema Nachhaltigkeit.

Deutscher Verpackungskongress
Wolf-Dieter Baumann

Begrüßungen
Normen Odenthal (Journalist, Asienkorrespondent und Leiter des ZDF-Studios Singapur) begrüßte als Moderator die über 200 Führungskräfte der Branche in der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin. Odenthal führte die Teilnehmer in den folgenden sieben Stunden eloquent und geistreich durch die Veranstaltung und übergab das Wort zu Anfang dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi), Wolf-Dieter Baumann. Baumann betonte die Wichtigkeit der Kongressthemen Umwelt und Nachhaltigkeit. Er sagte eine interessante und informative Veranstaltung mit intensivem Austausch voraus – und sollte damit Recht behalten. Als Dienststellenleiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund begrüßte in der Folge auch Andreas Schulze die Kongressteilnehmer. Es gehe heute um nicht weniger, als die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, sagte Schulze, der auch aus dem eigenen Leben von der Bewegung erzählte, die die öffentliche Debatte um Nachhaltigkeit und Kunststoff entfacht habe. »Gerade wer Kinder hat, merkt, dass man nicht mehr bedenkenlos zugreifen kann«, so Schulze.

Material Matters. Alles ist endlich – die Konsequenzen überdauern
Deutscher VerpackungskongressThomas Rau ist Innovator, Unternehmer, Architekt und einer der anerkannten Vordenker der Circular Economy. Rau skizzierte den Teilnehmern in einem starken und vieldiskutierten Vortrag die Grundpfeiler einer neuen Ökonomie. Dabei machte er deutlich, dass es weniger um den »climat change« gehe, als vielmehr um ein »mind change«. Die Frage sei, wie wir die limitierten Ressourcen des Planeten unlimitiert zur Verfügung halten können. Im Zentrum steht dabei das Material, dem wir Wert zumessen müssen. Ein Problem sei dabei schon unsere Begrifflichkeit. So schöpfe die Wertschöpfungskette keine Werte, sondern vernichte sie. Die entscheidenden Maßnahmen zur Veränderung der Seele unserer Ökonomie sind für Thomas Rau: Der Schritt vom Eigentum zum Gebrauch, mit Produkten als Service und einer dauerhaften Verantwortung des Produzenten. Material solle zudem eine Identität erhalten, beispielsweise in Form eines Materialpasses, da es so seinen Wert behalte. Ein Gebäude werde auf diese Weise zu einer Material-Werte-Bank. Müll dagegen sei Material ohne Identität, das es nicht mehr gebe, wenn jedes Produkt als Materialdepot gesehen wird. Material solle darüber hinaus als Service gesehen werden, genau wie unser Boden. Das Fazit des Visionärs: »Alles auf der Erde ist zeitlich. Aber die Folgen der Zeitlichkeit sind permanent. In 100 Jahren ist keiner von uns mehr da. Aber unsere Nachkommen sind permanent mit den Folgen unseres Daseins beschäftigt. Wir müssen aufhören, nach-zudenken. Wir müssen vor-denken.«

Konsumentenerwartungen als Chance für die Industrie
Deutscher VerpackungskongressDie dvi-Geschäftsführerin Kim Cheng berichtete zum Start des Vortrags aus ihrem ganz persönlichen Verpackungs-Jahr 2018, bei dem sich ihr als frischgewordener Mutter einer kleinen Tochter der ganze Zweck und Segen von Verpackungen gezeigt habe. Im krassen Gegensatz dazu stünde das, was man an Headlines über Verpackungen im gleichen Zeitraum aus den Medien ziehen könne. Aus diesem Gegensatz ergebe sich auch das Motto des diesjährigen Kongresses: »Image der Verpackung – Zwischen Ruf und Wirklichkeit«. Cheng berichtet von den Ergebnissen der dvi-Untersuchungen zu Konsumentenerwartungen, die das Institut in den vergangenen Jahren durchgeführt habe und die sie zu drei Kernthesen geführt hätten. »Erstens: Das Thema Nachhaltigkeit bleibt – und zwar nachhaltig. Alle unsere Untersuchungen zeigen, dass Nachhaltigkeit kein Gesellschaftstrend, sondern ein Bewusstseins- und Wertewandel ist, den sich der Konsument wünscht und auch selber vollzieht.« Dass die Konsumenten selbst Verantwortung fühlen, war Chengs zweite These, die sie ebenfalls mit Ergebnissen von repräsentativen Umfragen belegte. Darunter die Zahlen einer aktuellen Umfrage, die das dvi direkt im Vorfeld des Kongresses veröffentlicht hatte. Sie zeigen, dass fast die Hälfte der Deutschen sich selbst als Teil der Konsumbevölkerung die Hauptverantwortung für den Plastikmüll in den Meeren gibt. Chengs dritte These schließlich: »Konsumenten wollen Teil von Gut sein«. Die Aufgabe der Branche sei es, das möglich zu machen. Dieser Verantwortung müsse man sich gemeinsam stellen. Wichtig sei dabei vor allem, dass man es den Menschen leicht mache. Denn die Erfahrung zeige laut Cheng: »Konsumenten wollen Lösungen, keine Aufgaben«.

3 Monate Verpackungsgesetz: Status quo Recyclingfähigkeit und Recyclingquoten
Deutscher VerpackungskongressGunda Rachut (Vorstand der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister) gab einen aufmerksam verfolgten Überblick über die Systematik des Verpackungsgesetzes zur Förderung von Vermeidung und Verwertung, zur Bemessung des recyclinggerechten Designs von Verpackungen, zu den Veränderungen im Markt und der Evaluierung. Sie stellte dabei klar, dass es die Aufgabe der zentralen Stelle sei, Mindeststandards festzulegen und Recyclinggerechtigkeit messbar zu machen. Den Entsorgern falle dann die Aufgabe zu, »teurer zu machen, was nicht gut ist und billiger zu machen, was gut ist«. Dabei gehe es nicht um eine theoretische Recyclingfähigkeit. »Es geht darum, was in der Praxis passiert«, so Rachut. »Recyclingfähig ist bei uns nur, was tatsächlich recycelt wird«. Die gebrauchte Verpackung werde dabei genau so betrachtet, wie sie im Recycling ankomme und nicht in ihren theoretischen Einzelteilen, aus denen sie in der Produktion erstellt wurde. Zu den aktuell bereits fühlbaren Auswirkungen sagte Gunda Rachut, dass es sich vorwiegend um Leuchtturmprojekte handele. Am breiten Markt seien die Veränderungen noch nicht angekommen. Es sei jedoch klar, dass dies seine Zeit brauche, da man beispielsweise Fertigungslinien nicht von eben auf jetzt umbauen könne. »Aber jetzt ist klar: Der Anreiz ist da und man kann es durchrechnen«, so Rachut. Die Zentrale Stelle werde jährlich resümieren und neue Entwicklungen verfolgen, um das Regelwerk anzupassen. An die Branche gewandt warnte Rachut davor, das Verpackungsgesetz als Selbstläufer zu sehen. Ein »Weiter so!« werde es nicht geben. Wenn die Entwicklung nicht in die gewünschte Richtung gehe, werde die Politik zu schärferen Maßnahmen greifen. Rachuts Fazit: »Je mehr verbessert wird, desto weniger Regelung ist notwendig.«

Reduce, Redesign, Recycle – so treibt Unilever Verpackungskreisläufe voran
Deutscher VerpackungskongressAls Director Communications & Sustainable Business von Unilever DACH gab Konstantin Bark einen Einblick in die Nachhaltigkeitsbestrebungen seines Unternehmens. Täglich nutzen nach seinen Angaben rund 2,5 Milliarden Menschen ein Unilever-Produkt. »Was ein Unternehmen der Größenordnung von Unilever macht, hat gewaltige Auswirkungen«, betonte Bark, nicht zuletzt auch mit Blick darauf, dass rund 58% des Umsatzes in Schwellenländern gemacht würden. Auch Unilever merke den wachsenden Druck rund um das Thema Nachhaltigkeit und Kunststoff. Medienanfragen zum Thema Verpackung hätten sich im letzten Jahr versechsfacht, bei den Konsumentenanfragen sei es sogar noch extremer. Das Ziel von Unilever sei, die Umweltbelastung um 50% zu reduzieren. »Das geht nur, wenn wir auch die Verpackung angehen.« Auch er betonte, dass es um die tatsächliche Recyclingfähigkeit gehe – und zwar im doppelten Sinne. »Neben der technologischen Recyclingfähigkeit gibt es auch eine systemische Recyclingfähigkeit. Das heißt, die gebrauchte Verpackung muss in dem Land recycelt werden können, in dem sie anfällt.« Bark stellte in seinem Vortrag auch einige Positivbeispiele von Unilever vor. Dazu gehört die MUCELL-Technologie, die bei Flaschen bis zu 15% Kunststoff einspare. Aber auch Designprobleme wie die schwarze Farbe von Kunststoffverpackungen gehe man an. So verfüge man inzwischen über die Möglichkeit, etwas für den Konsumenten schwarz erscheinen zu lassen, das für Entsorger dennoch detektierbar und sortierbar sei. Eine klare Message gab Bark auch in Bezug auf Materialverfügbarkeit und Kosten. Er sprach von großen Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem PCR-Material und macht klar, dass die Umstellung auf nachhaltigere Verpackungen Kosten mit sich bringe, die nicht komplett weitergereicht werden könnten. »Hier muss man intern kompensieren und abfedern.«

Diskussionsrunde mit Patrick Bernau
Deutscher VerpackungskongressIn einer Diskussionsrunde mit den Referenten wies Patrick Bernau (Leiter der Ressorts Wirtschaft und »Geld & Mehr der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung) auf ein besonderes Charakteristikum rund um die öffentliche Debatte zu Kunststoffverpackungen hin: »In der Dynamik der öffentlichen Diskussion, wo Umweltverbände kampagnenfähige Themen suchen, Verbraucher ihr Gewissen beruhigen und Politiker Wählerstimmen sammeln wollen – da kommen oft wenig rationale Dinge raus.« Deshalb forderte Bernau die Kongressteilnehmer auf, »nicht nur das für die Umwelt zu tun, was der Kunde will, sondern auch das, was der Umwelt wirklich hilft, selbst wenn es nicht von der Öffentlichkeit gefordert wird. Zugunsten des Klimas Panik verbreiten hilft nicht. Nachdenken hilft.«

A Good Disruption – how to fabricate a good crisis
Deutscher VerpackungskongressMartin Stuchtey (Co-Founder und Managing Partner von SYSTEMIQ, einer Organisation, die sich auf die Agenda geschrieben hat, den Systemwandel hinzu sauberen Energien, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Bodennutzung voranzutreiben). Er wies darauf hin, dass wir uns an einer Bruchstelle befänden und vor einem neuen Paradigma stehen. Trotzdem versuchten wir noch immer, alle neuen Erscheinungen mit alten Mustern zu erkennen und zu erklären. Stuchtey stellte im Hinblick auf die Entstehung zwei »dynamische Lücken« heraus, die seit Mitte der 80er Jahre gewachsen seien: Zum einen das Auseinanderdriften von Wirtschaftswachstum und mittlerem Einkommen, das zu einem guten Teil für die explosiven politischen Entwicklungen der letzten Jahre verantwortlich sei. Zum anderen die dynamische Lücke, die sich zwischen wirtschaftlichem Wachstum und echtem gesellschaftlichem Fortschritt bzw. Wohlstand auftue. Es gehe aber um echtes Wachstum. Alleine in den letzten 40 Jahren seien eine Milliarden Menschen aus Armut befreit worden. Dieses Wachstumsversprechen müsse man auch in die Zukunft fortschreiben. Allerdings brauche es dafür eben jenen Paradigmenwechsel. Denn Wachstum sei in den letzten 150 Jahren eine Ressourcen-Bonanza gewesen. Mit dem Erdsystem im Wandel funktioniere das nicht mehr. Stuchtey lieferte dazu auch interessante Zahlenbelege. Schaue man sich beispielsweise das Gesamtgewicht aller Wirbel-Wesen auf dem Planeten an, so machten wilde Tiere nur noch 3% aus, während die Menschheit 33% auf die Waage brächte. Die Hauptmasse sei mit 64% jedoch der menschliche Nutzviehbestand. Stuchteys Forderung: »Eine völlig neue Welt denken, die nicht auf Individualbesitz fußt. Autonom, elektrifiziert, geteilt und nach ›cradle-to cradle‹ Prinzip. Das ist die Lösung. Das ist viel effizienter.» Der Verpackungsindustrie empfahl Stuchtey eine Ausrichtung nach drei Horizonten: Design for Recycling, Materialsicherheit und ein grundlegend anderes Verständnis: »Sie sind Frische-, Sicherheits- und Verfügungsbarkeitsindustrie.«

Nachhaltige Verpackungsentwicklung für Eigenmarken am Beispiel eines international agierenden Großhändlers
Deutscher VerpackungskongressMartin Guillaume (Head of Global Own Brand Packaging der Metro AG): Welche Anforderungen stellen professionelle Kunden an die Produktverpackung? Er berichtete, wie unterschiedliche globale Wirtschaftsräume die Verpackungsentwicklung beeinflussen, welche Rahmenbedingungen es für die Entwicklung nachhaltiger Eigenmarkenverpackungen braucht und welche Rahmenbedingungen für die Entwicklung nachhaltiger Eigenmarkenverpackungen notwendig sind. Guillaume unterteilte die Erwartungen der Verbraucher in »most important needs«, »important needs« und »relevant needs«. Diese Wünsche gelte es mit einer anderen Wirklichkeit in Einklang zu bringen: »Im B2B-Bereich geht es bei Verpackung immer um Einsparungen – von Material, Zeit, Raum und Müll«. An die Verpackungshersteller gewandt, zeichnete Guillaume das Bild wachsender Herausforderungen von Seiten der Konsumenten und der Politik, aber auch durch Wettbewerbsdruck. Hier müsse die Industrie proaktiv handeln. Ein wichtiger Punkt sei auch der beschleunigte Ersatz von bedenklichen Materialien sowie der Fokus auf recyclingfähige, biovergängliche sowie kompostierbare Materialien. Dafür brauche es die innovative Kompetenz der Hersteller.

360 Grad Strategie der Schwarz-Gruppe
Deutscher VerpackungskongressMichael Janzer (Bereichsleiter Einkauf International von Schwarz Zentrale Dienste) berichtete über die umfangreichen Maßnahmen zur Reduzierung von Kunststoff und dem vermehrten Einsatz von Recyclingkunststoffen bei Lidl und Kaufland. Als entscheidendes innerbetriebliches Kriterium für die rasche Umsetzung von Maßnahmen nannte er gleich zu Anfang die hohe Effizienz der Prozesse mit kurzen Entscheidungswegen in seinem Mittelstandunternehmen. Janzer zeigte die Schwarz-Gruppe als »den ersten Lebensmittelhändler der Welt, der den Kreisstoffwertlauf aus eigener Kraft schließen kann. Zum Teil stellen wir Verpackungen selber her oder kaufen sie selber ein. Die Verpackungen gehen in die eigenen Produktions- und Abpackwerke. Die gebrauchten Verpackungen der Eigenmarkenprodukte können zurück in die Filiale gebracht werden, wenn sie Pfandverpackungen sind, oder sie können entsorgt werden. Und zwar von unserem eigenen Entsorger, der die Verpackungen dann sortiert und recycelt.« Die »REset Plastic« getaufte Strategie der Gruppe besteht laut Janzer aus den fünf Handlungsfeldern Reduce (Einsparung von Kunststoffen), Redesign (verbessertes Verpackungsdesign), Recycle (aktives Optimieren und Gestalten von Recyclingsystemen in den Ländern, in denen man tätig ist), Remove (aktives Beseitigen von gebrauchten Verpackungen, die in die Umwelt gelangen) und Research (Investitionen in Forschung und Entwicklung innovativer Lösungen). Bis 2025 wolle man die Gesamtheit aller Kunststoffverpackungen optimieren und dabei 20% Kunststoff einsparen. Bei den Eigenmarken solle 100% Recyclingfähigkeit erreicht werden, bei stetig steigendem Einsatz von Rezyklat als Sekundärrohstoff. Janzer zeigte in der Folge eine ganze Reihe von Beispielen, die durch die konsequente Anwendung der REset Plastic-Strategie bereits bei Kaufland oder Lidl umgesetzt werden konnten. Die dabei präsentierten Zahlen zur Kunststoffreduktion oder -substitution über Material- oder Designveränderungen beeindruckten und stießen auf großes Interesse.

Circular Economy as a megatrend – impact on packaging
Deutscher VerpackungskongressOlav Svending (Business Lead on Circular Economy von Stora Enso) ging der Frage nach, ob Recycling gut genug sei oder die Welt nicht einen komplett neuen Ansatz bei Packstoffen brauche. Gleich zu Anfang stellte Svending die Vision und den Anspruch seines Unternehmens vor: »Everything that’s made with fossil-based materials today can be made from a tree tomorrow«. Auch Svending forderte einen neuen Ansatz bei der Behandlung und Verwendung von Material und plädierte stark für erneuerbare Materialien. »Recycling ist gut, aber nicht gut genug. Unsere Materialien sind erneuerbar und kreislauffähig.«

Biodegradable packaging from Agro-waste
Deutscher VerpackungskongressEinen spannenden Einblick in die Welt neuer, nachhaltiger Materialien gab Eduardo Gordillo, (CEO und Gründer von Bio-Lutions). Seine bereits mehrfach ausgezeichnete Innovation: Verpackungen und Einweggeschirr, die aus biologischen Agrarresten jeweils lokal und sozialverträglich produziert werden. »Unsere Mission ist es, den exzessiven Gebrauch von Zellulose- und Plastikprodukten zu beenden. Und zwar mit Verpackungen von den Feldern«, so Gordillo. Auf ein konkretes Beispiel umgebrochen: Tomaten werden in Verpackungen verpackt, die aus den Tomatenpflanzen hergestellt wurden. Für Gordillo ist ein grundlegendes Problem unserer aktuellen Wirtschaftsweise, dass die Kosten des End-of-Life Cycle nicht berücksichtigt würden, was zu einer Schieflage in der Kostenberechnung führe. »Ein Wandel ist nur möglich, wenn Ökologie ökonomisch attraktiv ist«, sagte Gordillo voraus. In seinem mit großem Interesse verfolgten Vortrag schilderte der CEO die Vorteile seines Packstoffes: Natürliches Rohmaterial ohne Konkurrenzsituation, verminderte Emissionen und Kosten durch dezentralisierte Produktion, möglicher Ersatz von Papier- und Kunststoffverpackungen, mechanische Prozesse ohne Chemikalien und Umweltrisiken, niedriger Wasserverbrauch von nur 5 Liter pro Kilogramm Material, flexible Formgebung mit der Möglichkeit zur Einfärbung und Wasserresistenz sowie nicht zuletzt natürliche Kreisläufe. Denn die Lösung sei 100% biologisch abbaubar, 100% kompostierbar, 100% recyclingfähig und dabei fast CO2-neutral.

Die Game Changer – Kreislaufwirtschaft und digitaler Wandel
Deutscher VerpackungskongressFür ein spannendes und im besten Sinne aufwühlendes Ende der Vortragsreihe sorgte Thomas Reiner (Mitgründer und CEO der Berndt+Partner Group), blickte hinter die aktuellen Trends und zeichnete einen Ausblick darauf, wie sich unsere Industrien verändern werden. Im Zentrum der Entwicklungen stünden dabei die drei Game Changer Circular Economy, Digital Transformation und Agility. Seine Analyse bündelte Reiner in zehn zentralen Thesen zur Nachhaltigkeitsdebatte: 1. Die Menschen werden den Raubbau an der Natur nicht länger akzeptieren. 2. NGOs werden die Kunststoffindustrie neu definieren. 3. Die Aktivitäten der Gesetzgeber werden zunehmen. 4. Verpackung wird das primäre Ziel sein. 5. Retailer werden den Wandel vorantreiben. 6. Auch Markeninhaber werden zu den Treibern gehören. 7. Verpackungsmaterialien und Strukturen werden sich ändern. 8. Die Digitale Transformation wird den Wandel beschleunigen. 9. Das wird nicht aufhören, bis es gelöst ist. Und 10. Die gesamte Wertkette wird ihren Beitrag leisten müssen. In (ebenfalls) zehn Hypothesen zeigte Thomas Reiner zum Ende außerdem, welche konkreten Auswirkungen die digitale Transformation für die Branche haben wird – von neuen Konsumentenanforderungen an Erlebnisse über die disruptive Kraft der Plattformwirtschaft bis hin zu massiven Standardisierungen im Materialbereich und bei Produktspezifikationen. Reiners Fazit in Bezug auf die Digitalisierung: Wer die Zukunft einfach aus der Vergangenheit fortschreiben will, hat schon verloren.

Abendveranstaltung und Workshops
Der Abend des ersten Kongresstags führte die Teilnehmer mit Begleitung in das besondere Ambiente des »Haus der Kulturen der Welt« direkt an der Spree und in unmittelbarer Nachbarschaft des Regierungsviertels. Hier konnten die vielen spannenden Impulse des Kongresstages in bester Netzwerk-Gesellschaft diskutiert und ausgeformt werden.

Deutscher VerpackungskongressAm zweiten Kongresstag nutzten viele Teilnehmer die Möglichkeit, wichtige Themen der Veranstaltung in Experten-Workshops zu vertiefen. So ging es um die Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen, um Imageverbesserung durch Verpackung und ein neues Denken von Recyclingfähigkeit. Extrem nachgefragt waren neben den Workshops auch die alternativ angebotene Besichtigung einer hochmodernen Sortieranlage von ALBA sowie die Betriebsbesichtigung der Berlin-Chemie AG. (Fotos: dvi / André Wagenzik)

www.verpackung.org
www.verpackungskongress.de

 

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